Adipositas und Anorexia nervosa

Teil 1: Adipositas bei Fernando Botero

Vergleich Fernando Botero und Alberto Giacometti:

Der Unterschied könnte nicht grösser sein.
Die Skulpturen und gemalten Figuren des kolumbianischen Gegenwart-Künstlers Fernando Botero und des 1966 vertorbenen schweizer Künstlers Alberto Giacometti stehen in krassem Gegensatz zu einander: bei Botero sind alle unglaublich dick, bei Gicamoetti sind sie teilweise so dünn, dass man schon am Wahrnehmungsvermögen des Künstlers zweifeln könnte.

Nun ist aber interessant, dass beide Körper-Typen als Ausdruck von gestörtem Essverhalten zu einem neuen Phänomen unserer modernen Gesellschaft geworden sind. Die Auswirkungen dieser beiden Essstörungen sind tragisch und weitreichend. Sie verursachen viel Leid bei den Betroffenen wie auch bei ihren Angehörigen. Nur mit intensivster medizinischer und psychologischer Betreuung ist diesen extremen Entgleisungen der Nahrungsaufnahme/resp. des Metabolismus beizukommen und oft bleiben sogar diese Bemühungen fruchtlos. Die Betroffenen kommen nicht selten durch Zusammenbruch von Kreislauf und Metabolismus oder durch Schwäche/Verhungern zu Tode.

Unser komplexes Steuerungssystem von Körper, Geist und Seele ist auf vielerlei Störungen anfällig. Eine normale, geordnete Umwelt ist noch kein Garant, dass der Mensch als Ganzes gesund funktionieren kann.

Ich denke, man kann davon ausgehen, dass weder Botero noch Giacometti bei der Gestaltung ihrer Figuren ans Essen gedacht haben, resp. die Darstellung einer Essstörung beabsichtigten. Zumal diese Auswüchse früher noch nicht so weitverbreitet waren wie heutzutage. Die Gestaltung ihrer Extrem-Typen sind wahrscheinlich reine Wiedergabe der Wahrnehmung und des Ausdrucks ihres künstlerischen Empfindens.

Das Markenzeichen von Fernando Botero sind seine prallen, aufgeblasenen Formen. Nun ist fraglich, ob er diese Gestaltungsform bewusst gewählt hat, um aufzufallen und sich einen unverkennbaren, bisher nicht besetzten Stil anzueignen oder ob er unbewusst, intuitiv so arbeitet und somit allein seinem ästhetischen Empfinden folgt?

Bei Botero sind sowohl die Figuren der Gemälden wie auch die Figuren der Skulpturen sehr, sehr dick. Offenbar findet er dicke, voluminöse Formen schön. Das ist seine spezielle Aesthetik. Will er als Künstler wirklich das darstellt, was er schön findet?
Oder steht eine Botschaft dahinter? Es könnte ja auch sein, dass er ein gestörtes Verhältnis zur Form hat, so wie ein Essgestörter zu seinem Körper. Damit wäre er ein Besessener der Verzerrungen.
Alle Lebewesen, ja sogar die sie umgebenden Dinge sind unnatürlich drall und üppig.
Ob Musikinstrument oder Pferd, alles hat ein überdimensioniertes Volumen und strahlt eine provozierende Völle aus. Weil die verdickten Gestalten in einer verdickten Umwelt leben, wird alles wieder relativiert.

Somit ist auch folgender Satz von ihm leichter zu verstehen:

„Ich habe nie ein dicke Frau gemalt“ (Zitat aus unterem Text 1)

eine typische Botero Skulptur: https://de.dreamstime.com/stockfoto-portugal-lissabon-fernando-botero-skulptur-image50250379

Die allgegenwärtige Üppigkeit ergibt eine kokette, heitere Komposition, die uns zum Schmunzeln bringt.
Die Gesichter sind ziemlich faltenlos, fröhlich und meistens zufrieden.

einige sehr hübsche Bilder über das Thema Zirkus: http://clas.berkeley.edu/research/art-fernando-boteros-circus

Es soll allerdings Leute geben, die sich darob entsetzen, denn für sie ist nur schön, was dem klassischen Schönheitsideal der alten Griechen entspricht: so wie der Mensch idealerweise gebaut wäre: der Mann athletisch durchtrainiert und muskulös in ausgewogenem Verhältnis, die Frau mit schönen Rundungen an den richtigen Stellen.

Botero’s Figuren aber sind grotesk.

Oft greift er dieselben Themen auf wie viele anderer Künstler anderer Epochen:
mythologische und christliche Begebenheiten wie zum Beispiel Europa auf dem Stier, die heilige Jungfrau mit Kind, Christus mit Herz und andere.

Seine Werke lassen aber auch Bildkompositionen berühmter Werke von anderen Künstlern erkennen:

Marie-Antoinette nach Elisabeth Vigée-Lebrun, Mona Lisa nach Leonardo da Vinci, Dame mit Hermelin nach Leonardo da Vinci, Sonnenblumen in Vase nach Vincent van Gogh, Picknick im Gras wie bei Manet, Balletttänzerin wie bei Degas, die Hochzeit des Giovanni Arnolfini und der Giovanna Cenami wie bei Jan van Eyck, Louis XIV wie bei Hyacinte Rigaud und viele andere, wo wir die Motive von Gemälden weltbekannter Künstler erkennen.

«Die eigene Identität zu finden ist ein sehr delikates Problem», sagt er. Er habe dafür zehn Jahre seit der Entdeckung der Mandoline* gebraucht, auf der Suche nach einer stilistischen Kohärenz und Reife, die er in seinen New Yorker Jahren festigte.“

*Botero hat zu Beginn seiner Karriere bei einer Mandoline das Loch viel zu klein gemalt und dabei festgestellt, dass dieselbe damit eine interessante „Grösse“ erhielt, was ihn darauf brachte, von da an alles in abnormaler Verdickung darzustellen.

Hier erfahren wir, dass Botero die Üppigkeit liebt. Für ihn ist sie Sinnbild von Lust und Lebensfreude.

Text1: https://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/infoline_nt/boulevard_nt/article106199390/Fernando-Botero-wird-80.html

einige Botero Bilder in einem englischen Blog: http://www.theartpostblog.com/en/paintings-by-botero/

Link zum Künstler-Portrait von Fernando Botero: https://sinn-suche.ch/kuenstler/botero-fernando/